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Wohnhaus von César Manrique in Tahíche auf Lanzarote

Kann ein einziger Mensch die Welt verändern oder kann eine einzige Person eine Neue Sichtweise in diese Welt "gebären", lange bevor sie von der breiten Masse wahrgenommen wird? Als ich das Werk des Künstler César Manrique auf Lanzarote zum ersten mal sah, schien es mir eine Antwort darauf zu sein.

Lanzarote hatte bis Ende der 1960er Jahre neben seinen "Kanarischen Schwester-Inseln" ein Stiefmütterliches Dasein. Während sich der Massentourismus auf den großen Inseln wie Tenerife und Gran Canaria bereits in vollem Aufstieg befand, wurde Lanzarote als "vulkanischer Geröllhaufen" abgetan. Dem "hässlichen Entlein Lanzarote" wurde lange keine Beachtung geschenkt, bis der Künstler, Architekt und Umweltschützer César Manrique im Jahre 1968 nach dem Tod seiner langjährigen Lebensgefährtin, entschloss, dem Schattendasein ein Ende zu setzen. Mit einem Plan auf die traditionelle Bauweise der Insel zu setzen, Werbeplakate zu verbannen und auf mehr als zweistöckige Bauwerke zu verzichten, wollte Manrique seine Heimatinsel Lanzarote in einen der schönsten Plätze der Welt verwandeln. Manrique fuhr dafür selbst über die Insel um die Bevölkerung von dieser zukunftsweisenden Idee zu überzeugen. 

Heute ist das Erbe César Manriques auf Lanzarote unübersehbar. Nachdem ich bereits einige der Kanarischen Inseln besucht hatte und neben den Schattenseiten des Massentourismus in "Maspalomas" und "Los Cristianos" auch die herrlichen Natur- und Kulturdenkmäler gesehen hatte, war meine Erwartung an Lanzarote nicht sonderlich groß. Persönlich bin ich kein ausgesprochener Liebhaber von trockenen Wüsten- und Vulkanlandschaften, deshalb hatte ich auch bisher die anderen Inseln bevorzugt. Ein Großteil der Kanaren war vor Ankunft der Spanier mit dichten Lorbeerwäldern bewachsen, deren Reste noch heute sichtbar sind. Jede Insel hat jedoch ihr eigenes Mikroklima und die Inseln am Rande Marokkos ähneln diesem Land klimatisch und landschaftlich.

Lanzarote: Zufallsentdeckung & Musterbeispiel für nachhaltige Destinations- Entwicklung

Ich kam aus dem Staunen nicht heraus, als wir über ausgedehnte und tiefschwarze Vulkan- Gerölllandschaften fuhren. Der wenige Jahresniederschlag welcher im Februar und März fällt, hatte zwischen den Schwarzen Steinen, saftig grüne Farbtupfer aus endemischen Fettpflanzen gezaubert, welche mit knallig gelben Blüten vor der Karstlandschaft erstrahlten. Traditionelle Weingüter, Aloe Vera Anbau, Reste von Feigenkakteenplantagen und kleine Palmenhaine sind die einzigen Zeugen von Kulturlandschaft. Der Großteil der Insel erstrahlt in einer archaischen Vulkanlandschaft welche durch das vorüberziehende Wolkenmeer immer wieder neue Einblicke auf die wilde Seele der Insel zulässt.

Geleitet von der kargen Vegetation der Insel wählte César Manrique die passenden Orte für seine Architektonischen Kunstwerke aus. Ein grüner Feigenbaum auf einem erstarrten Lavastrom zeigte ihm, der Legende nach, den prädestinierten Platz für sein zukünftiges Wohnhaus. Die lokalen Bauern überließen ihm das Land ohne widerrede, da es sich nicht für den Anbau eignete. Manrique entdeckte mehrere Lavahöhlen aus denen er facettenreiche Räume schuf.

Die große Kunst César Manriques war es, "Rahmen" zu schaffen, um die verborgene Schönheit der kargen Landschaftlichen Seele seiner Heimatinsel für den Betrachter zugänglich zu machen. Durch das Auge des Künstlers wird dem Besucher die unscheinbare und ewige Schönheit dieser Karstlandschaft erschlossen.

Auch der ungeschulte Beobachter wird somit in einen "metaphysischen Wahrnehmungszustand katapultiert" in dem sich die innerste Frequenz einer scheinbar leblosen Landschaft zu offenbaren scheint.

Diese Kunst die zeitlosen Schönheiten unserer Landschaften auf uns wirken zu lassen, ist uns durch die ständige Devise des "schneller, höher und weiter" abhanden gekommen. Wir haben durch den kompromisslosen Fortschrittsglauben und die maßlose Entwicklung des Massentourismus die Sicht auf das Wesentliche verloren. Auf Lanzarote hat man die Möglichkeit, diese Eigenschaft, durch das einmalige Lebenswerk eines Künstlers, welches von der UNESCO 1993 zum Reservat der Biosphäre ernannt wurde, wieder zu entdecken.

Sehen mit Neuen Augen: Die Zukunft des Reisens nach dem Ende des Massentourismus

Ja man wird wohl auch in Zukunft mit dem Flugzeug auf die Kanaren fliegen müssen, will man nicht den beschwerlichen Seeweg in Kauf nehmen. Aber durch die "zunehmende Flugscham oder auch Flugangst" könnte man für seinen Jahresurlaub doch vielleicht wieder nähere Ziele in Betracht ziehen. Anstatt 2 Wochen nach Südostasien zu fliegen, könnten Flugreisen innerhalb Europas für längeres Auftanken in nahen und trotzdem neuen Welten, wie sie Lanzarote darstellt, eine valide Alternative zur "globalen Reisewut" der letzten Jahre sein.

Nicht mehr pauschal, sondern individuell, weit weg von "Bettenburgen" und "Virenkreuzfahrten" die Welt entdecken. Diese Reiseart hatte ich bereits lange vor der Pandemie seit meiner Jugend auf zahlreichen "Interrail- & Anhalterreisen" für mich entdeckt. Lanzarote ist geradezu prädestiniert für diese wiederentdeckte Art des Reisens. Bereits das unscheinbare Städtchen Arrecife hat mich durch seine versteckte kulturelle Vielfalt und authentische Lokalkultur überrascht, welche sich unabhängig der Touristenmassen auf den anderen Inseln, entwickelt hat.
Natürlich sind auch die zahlreichen Monumente, Höhlengärten, Aussichtsplattformen und Kunstwerke César Manriques auf der Insel gut besucht, aber die beispiellose Planung lässt viel Raum für individuelle Entdeckungstouren. Der zukunftweisende, visionäre und offene Blick aufs Essentielle wird noch viele Generationen nach uns begeistern. Während aufgeblasene und auf "Daueranimation" ausgelegte Bettenburgen auf den Kanaren und in vielen anderen Orten der Welt nach Ende des Massentourisums womöglich schon bald von Wüstensand und Gezeiten begraben werden.

 

 

Simon Margesin